img_5911-766x766-q92
Neujahrsempfang. — Autorin

Am Anfang war das Wort, und das Wort war ziemlich groß und ziemlich leer und ziemlich bunt, am Anfang war die Rede, waren Reden, nein: am Anfang war das Reden, denn am Anfang war das Wort und das Wort war ziemlich groß und ziemlich leer und ziemlich groß und ziemlich leer und ziemlich volldynamisch außerdem, in ständiger Veränderung begriffen, in ständiger Wandlung begriffen, in ständiger Wiederholung begriffen, in ständiger Leere begriffen, das war ja einfach. Und es zog aus in die Welt, das Wort, zog die Grenzen einer Welt auf, die uns stattfinden lässt.

Und die Welt sah, dass es gut war, weils ja immer gut ist, wenn man was zu sagen hat, was zu melden, das Wort zog also aus bis an die Grenzen dieser Welt, und die Welt sah, dass das Begrenzen ja doch gut war, nein, dass sie ziemlich begrenzt war, nein, beschränkt, ja, das auch, aber wer nicht denken kann, nein, wer nicht denken muss, weil er ja Worte hat, der ist klar im Vorteil. Immerhin.

Am Anfang war also das Wort, nein, am Anfang war der Wert, in ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen, auch logisch irgendwie, ein ziemlich helles, ziemlich gleißendes Licht war das, um genau zu sein, je nach Wertgrundlage natürlich, am Anfang war also der Wert des Lebens, und das wertvolle Licht leuchtete in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst, dieses wertvolle Licht von großer Dunkelheit, das den einen leuchtet und die anderen in Frieden ruhen lässt. Ja, schließlich spielt es eine Rolle, welche Geschichten Geschichte erzählen, und es spielt eine Rolle, welche Rolle man in den Geschichten spielt, in der Geschichte. Es spielt eine Rolle, welche Rolle man in den Bildern spielt. Am Anfang war der Wert, der sich in Bildern bemisst, der sich an den Bildern misst, die man von sich machen lässt, die sich andre daraufhin von einem machen, weil sie sich keine andren machen können, am Anfang war das Leben, das in den Bildern stattfindet, das das echte Leben verdrängt, das, wovon man sich kein Bild machen darf, nein, kann. Das Leben in Bildern erzählen, die an das Leben, das da drunter liegt und dem langsam die Luft ausgeht, nicht rankommen. Wir reden über Bilder als das echte Leben, die immer schon woanders sind, dort, wo wir nicht sind. Aber wo wir gerne wären. Ja, das schon.

Und es verbreitete sich gute Laune, denn die Bilder die hier herrschen, die vorherrschen, die sind hausgemacht, nein, ausgemacht, weil es schließlich eine Rolle spielt, welche Rolle man in den Bildern spielt, schon schön. Und es verbreitete sich frohe Kunde, weil am Anfang ja das Wort war, und das Wort war ziemlich groß und ziemlich leer und ziemlich volldynamisch außerdem, wie wir, und es zog aus in die Welt, das Wort, unser Wort, und die Welt sah, dass es gut war, na logo, denn die Bilder dazu haben wir uns schließlich ausgedacht, in unseren dreihunderttausend Plenarsitzungen der letzten Wochen und Monate, die eigentlich PR-Sitzungen gewesen sind.

Schon schön.

img_5897-820x615-q92
Angelobung.

(to be continued: BERGEINS, UA 14. Februar, brut Wien) — Autorin

Jetzt tritt ein Mensch auf, der von Gott gesandt war, oh Gott, bitte nicht. Aber immer wenn sich eine neue Welt formiert, muss ja Gott kommen, nicht wahr, oder herhalten; wenn sich ein Land neu formiert, muss ein Mann als Gott herhalten, manchmal auch ein Mensch, bist du dir da sicher? egal, er tritt also auf, der kleine Prinz, der nur mit den Augen gut sieht, während fürs Herz alle wesentlichen Dinge unsichtbar sind. Der Prinz tritt auf und sagt, dass hier ohne hässliche Bilder nichts gehen wird, während mit ihm allerdings ziemlich viel gehn wird, denn am Anfang war schließlich der Wert, sein Wert, der sich in Bildern bemisst, der sich in schönen Bildern bemisst, die er unter uns, das Volk, bringt, und dieses Bilderleben wird ein Licht sein für die Menschen, also uns, also je nach Wertgrundlage, ist auch logisch irgendwie, am Anfang war also der Wert, der kurze, nein, der lange Prinzenwert und in ihm war das Leben oder eben nicht, ja, manchmal eben leider nicht, manchmal lieber nicht, tja, ganz ohne hässliche Bilder wird das hier eben nicht gehn, egal, denn was hässlich ist und was nicht, bestimme immerhin noch er. Anzünden, abschießen, unter den großen weichen Weltteppich schieben und dabei ziemlich gut aussehn, das war schließlich schon immer unsre Stärke.

Und ich ging durch die Welt, die dieses schöne Land so gerne wäre - also in letzter Zeit ist mir ja immer irgendwie so schlecht, geh ich also kurz zum Hassen, ordentlich wo dagegentreten, gegen die Normalität, also, natürlich metaphorisch, dass wir uns nicht missverstehn!, also gegen die Normalität so metaphorisch treten, beziehungsweise gegen das, was sich als eine darstellt, ja, so ein Wumms, der ist schon was Schönes - und dann, dann ging ich aber zu den Tieren, und alles war wieder still, schön, und ein Tier sah mich an, schon schön, mit seinen treuen Tieraugen, und ich war wieder ziemlich gut entspannt und ziemlich gut ruhig und ziemlich gut Ich war ich auch, schau so zurück also zum Tier mit meinen fast genauso treuen Augen und wir starren und warten und sind sehr verbunden, wie das zwischen Menschen eher selten so passiert, das Tier sagt:

Chaos regiert.

Weil das Chaos regiert, wird hier ohne hässliche Bilder nichts gehen, sagt jetzt ein andrer, dieser Mensch, der vorhin aufgetreten ist, unser Prinz Eisenherz, der weiland noch als Prinz der Herzen haltlos durch die Stadtlandschaft gecruist ist. 24 Stunden Verkehr im Geilomobil, wobei hier nicht ganz klar ist, wer damit gemeint war, Fahrwerk oder Fahrgestell. Aber Ambivalenz, das war schließlich schon immer seine Stärke, nein, das ist noch immer seiner Stärke, aber kein Grund, ihn deswegen anzupatzen. Ja, aber wer seinen Verkehr plant und in Fahrt kommt, der patzt sich eben zwangsläufig an, wenn von der ganzen Höchstgeschwindigkeit rechts und rechts der Dreck spritzt. Ja, so ein Dreck, der aus dem eignen Fundament quillt, der ist schon was Schönes. Und Höchstgeschwindigkeitsbegrenzungen werden ohnehin jetzt abgeschafft. Umso besser. Kopf raucht, Motor raucht, Lunge raucht, herzlichen Glückwunsch! Je weniger Beschränkung desto mehr Geschwindigkeit desto mehr Dreck, und je mehr brauner Dreck desto mehr Wumms, der einen ordentlich umhaut, nein, der alle andren ordentlich umhaut, die mit verbaler Entgleisung und Schlagstock nicht so versiert sind. Das war ja einfach.

Aber so einfach ist das nicht. Nein, so einfach geht das nicht mit dem Anpatzen, schließlich ist unser Prinz der kalten Herzen auch einmal ein anderer gewesen, ja, sagt er, der, unser Prinz aus einem früheren Leben, wie die anderen ständig Asyl und Kriminalität vermischen!, und: ach, sagt er, sie habens noch immer nicht verstanden, ja, das sagt er, unser Prinz, nein, das hat er gesagt, der Sportler Tierliebhaber Langzeitfreund mit Eltern aus dem Mittelstand und Großeltern vom Land, und: „ich mag ich sein“, ja, auch das, hat er das wirklich?, ja aber ja, das hat er natürlich auch gesagt, und was das Ich im Prinzenfalle sein kann, ist so dehnbar wie die Grenzen dieser Normalität, sag doch Demokratie, wie die Grenzen dieses Zustands, der der Regierung ein neues Land schenken soll und auch wird, der Zweck heiligt schließlich alle verfügbaren Mittel. Und das sind so einige.

Es tritt also ein Mensch auf, von Gott gesandt, oh Gott!, naja, er tritt zumindest als Messias auf, als käme er aus einem Außerhalb, aus dem er ganz bestimmt nicht kommt, egal, tritt also auf jetzt, weil jetzt Zeit für Neues ist, die eigentlich die Zeit des Alten ist, na, aber weil Chaos ist, muss man wohl zu Altbewährtem greifen, das greift immer durch. Defending Austria and the rest of Germany semierfolgreich since 1938. Also in letzter Zeit ist mir ja immer so schlecht, liegts am Wetter, liegts am Klima, liegts an der sozialen Kälte?, geh ich also durch die Welt, durchs Land, zum Hassen, ordentlich dagegentreten, gegen die Normalität oder was sich da als eine darstellt, was sich - wenn überhaupt - nur halbherzig als eine darstellt, aber trotzdem postwendend als das anerkannt wird, was es ganz bestimmt nicht ist, nämlich normal, ja, in letzter Zeit ist mir wirklich immer immer so schlecht und die Beine zucken, dass ich, glaub ich, wo dagegen treten will. Egal. Aber weil man nicht treten soll, da geh ich also wieder zu den Tieren und die Tiere sitzen auf ihren Koffern, die verlassen jetzt den Wald und zum Abschied singen sie ein Ständchen, das geht so: „Sie werden sich noch wundern, was da alles geht.“


Gerhild Steinbuch — geboren 1983 in Mödling (Österreich), lebt in Berlin. Studium Szenisches Schreiben in Graz und Dramaturgie an der HfS Ernst Busch, Berlin. Arbeitet sowohl allein an Essays, Prosa und Theatertexten als auch im Kollektiv Freundliche Mitte, sowie als freie Dramaturgin.