der text ist als gemeinschaftsarbeit der autorinnen für eine lesung in der lettrétage berlin im rahmen der warm-up veranstaltung "ängst vor bürger" für die konferenz "ängst is now a weltanschauung" entstanden. für den text wurden auszüge aus katharina schultens' "gorgos portfolio", kookbooks 2014, und "untoter schwan", kookbooks 2017, zur überarbeitung und collagierung entnommen.
Wenn ich will, komme ich morgen. Ich komme, und wenn ihr mich nicht hereinlasst oder mich nicht sprechen lasst, dann werde ich einen Aufstand machen. (Recep Tayyip Erdoğan)
*
die staubflocken fallen vom himmel
und legen sich weiß
und legen sich glatt
wie das haar alter götter
die augen verklebt
die finger klamm
die zungen frieren an laternenmasten
weil sie den neuen staub schmecken wollen
und die landnahme wütet in unserem herzen
das haben wir gemeinsam
aber so gut wie heute ging's uns selten
oder vielleicht noch nie
unsere bäuche unsere städte
so voll waren sie selten
und unser gemeinsamer himmel
so hell wie nie
und der terror ist ein fettes kleines tier
es löst sich aus der monstertaille und klettert
um noch verbliebene barrieren zu durchbrechen
vermisst dabei bloß bärenzähne, bullenhorn
das monster findet uns immer ganz unten
durchwühlt uns tags das herz nach häppchen
erkennt darunter ängste hübsch paketweise sortiert
doch nie in unverarbeitetem zustand
der pelz des monsters ist verkrustet
es weiß es muss sich putzen
damit es in die kehle kann
das monster hat vergessen was sein ursprung ist
metamorphosen nennt es ein gerücht
es hat vergessen was die box enthält
pandora ist ihm kein begriff
es hat nun eine käfereigenschaft kopiert
es wird sich alsbald schon in stagnation verpuppen
wenn seine bubble platzt schwirrt draus
millionenfach vermehrt zum schwarm: hypo-
crisis
und es bräuchte schlüsselwörter für eine reaktion
wenn ich jetzt schriebe: ich habe nägel und gas. oder: hijab.
und dann chemische elemente aufzählte die immer schon gefährlich waren
wenn ich diese nachricht nicht öffnete. wenn wir nur
über entwürfe kommunizierten. wenn wir nicht mehr mobil
telefonierten und stattdessen vor wechselnden telefonzellen
meisterschaft entwickelten im münzeinwurf an einander
deine worte können nicht ausgesprochen werden
denn es ist schon alles gesagt worden
eure worte
worte wie viren
eure zungen wie kneifzangen
der-die-das-viren
entweder-oder-zangen
und wozu reden!
es ist alles schon gesagt worden
wenn ich mich an das hielte was ich mir vorgenommen hatte
wenn es nur darum ginge politisch zu sein. wenn es nur darum ginge
politik wie bisher zu ignorieren. wenn ich dich verstünde. wenn ich nur
wüsste was du meinst wenn du mir sagst dass du meinst was du sagtest
wenn ich einen schlüssel hätte der öffentlich wäre und trotzdem geheim
nichts davon funktioniert. auch das hier schließlich nicht
es gibt nichts mehr, was ihr noch sagen könntet
alles gleicht sich aneinander und muss beim namen genannt werden
staub und asche
eure sprache
wozu erklären!
es gibt nichts mehr, was erklärt werden kann
Wozu sich erklären? […] Nein, diese Mittel sind aufgebraucht, und von der Ernsthaftigkeit unseres Tuns wird Euch kein Wort überzeugen, sondern bloß ein Schlag ins Gesicht. (Götz Kubischek)
ich dachte, wir hätten es getötet, es ist überall
findet ihr es nicht bemerkenswert, nach jahren phantastischer uniformen
sternenbesetzt: in immer denselben rebellischen kombinationen
von olivgrün und gold, silber, blau, violett
nach jahren in bärten, baretten, krawatten, fremden talaren, jetzt:
ist es das haar, ist es das haar, hats sehnsucht: nach akkuratesten scheiteln
pomade, coiffage in orange, sommersprossen –
und du sagst dir
ich sag: katastrophenberichte häufen sich, ich fühl sie nicht.
zwischen den jahren werden es mehr, sagt das monster. nein
vielleicht hören wir nur besser zu, sage ich.
ihre welt gerät in not
leute legen sich auf den boden
wie embryos und lachen sich rot
manche machen pingpong auf den straßen
mit schlägern und manchmal auch ohne
es zitiert statistiken, ich spreche von statisten.
es wirft mir grausamkeit vor, ich sage nein:
alles gilt gleich viel und gleich wenig.
Aber wir alle wissen natürlich, dass es in der Geschichte kein Schwarz und kein Weiß gibt.
(Bernd Höcke)
aber du denkst dir
für so eine gemeinschaft bin ich doch belastbar genug
für so eine reifheit pünktlich genug
für so eine ganzheit angeregt genug
und für so eine einstimmigkeit
fröhlich doch
genug
das ist eine schlimmere sünde. keinen unterschied machen.
ein käfer/ein kind gilt radikalen nichts. ein feuer/eine verworfene
idee: beide können tödlich/harmlos sein, was solls.
und du denkst dir
ich werde anfangs dinge für sie bewerkstelligen
werde sie anfangs für sie empfangen
werde sie für sie bewegen
für sie reinigen
und ordnen
ich bin ja ziemlich gut in empfang
richtig gut in bewegung
sehr gut in reinigung
und sowieso
in ordnung
das monster ruft ein lied auf, eins, wozu es tanzen kann. ja genau, sage ich.
wir werden das am ende tun. alle die mit flanke drehn sich am ende
um, sind ihr eigener tanzboden. drunter: getier. drauf: musik.
dann ein hymnus,
und ein held knietief im humus,
er hat sich die basecap so tief ins gesicht gezogen, dass man ihn nicht erkennt,
aber dass er ein tyrann ist, ist so gut wie sicher.
er schickt sich an
zur multiplikation, springt, wackelt vor und zurück, auf dem krönungspodium
seines parteitags, sticht unterm studiotisch seiner moderatorin geschickt
in den unterleib, zieht sein blutiges stilett direttamente aus dem eigenen rücken
ja wenn seine nägel wachsen schrumpfen seine hände mitten in der nächsten geste
hat tonnen voll gas in mehreren wüsten, einen plan zur schuldlosen aufkündigung
aller völkerverträge, ist es nicht komisch, ist es nicht komisch, klingt es hysterisch,
es ist mitten unter uns, ist ein lied, ein rhythmus, hört ihr: schon geschehen
also sprich du
sprich also
also sprich
und gehe vorbei
an leeren spielplätzen
an industrieruinen und stillgelegten flughäfen
an toter technik und weißbedeckten schlachthöfen
ja
sag es
der schrott von heute ist die archäologie von morgen
und gehe weiter
weiter
schau auf zum himmel
die sonne wird von einem drachen eingerollt
die asteroiden stellen die erde unter naturschutz
die trümmergärtner bewässern ihre staubbedeckten blumen
ihre töchter tanzen mit welken armen
und ihre mütter schälen die letzten apfelsinen
mit zitternden händen
und
währenddessen
rufen magisch-depressive hippies ficken-statt-fresse
simulieren die revolutionären aussteiger das heile landleben
betreiben die konservativen alternative ahnenforschung
mobilisieren sich die rechten gegen das-herrschende-feminat
bewerfen die patrioten asylunterkünfte mit den steinen ihres vaterlandes
und rufen DER WEIßE VERRAT
und du denkst dir
ich werde dinge für die gemeinschaft in stellung bringen
die gemeinschaft wird meine stellungen in ordnung bringen
ich werde der ordnung der gemeinschaft gegenüber vertrauen bringen
das vertrauen auf die gemeinschaft wird mich an den ort meiner bestimmung bringen
denn
ich kann allen arten von teamarbeit gerecht werden
ich kann allen arten von überstunden gerecht werden
in dieser gemeinschaftsunion herrscht ja gerechtigkeit aller art
und all diese gerechtigkeit wird mir dann frontal widerfahren
ich kann ja klein anfangen
ich habe ja mal klein angefangen
bis ich es dann hierher geschafft habe
ich kann also wieder klein anfangen
sehr klein anfangen
ich kann ja motiviert bleiben
zuverlässig bleiben
und auf der spur
dann vertrauen sie mir
dann bin ich keine fremde mehr
und sie lassen mich dann sein
sie lassen mich arbeiten
mich in meine interessen hineinarbeiten
mich in ihre interessengemeinschaft hineinbewegen
und du denkst dir: die lüge distanz
denn ich entkomme jenen kommandeuren so wenig, wie ich dem tod entkomme
aber alles lässt sich eine weile auf abstand halten: pelztiere, liebe, ein hieb
mit dem beil vielleicht nicht, kommt drauf an, wers führt.
ich hatte vergessen, wie sehr alles improvisation ist. wie schnell
eine sprachnachricht unwiderruflich wird, banale enden
woraus bastelt man tragik? welche elemente fallen
folgerichtig aus der geschichte, damit sie stimmt?
ich weiß, jetzt fehlt ein detail, ein farbiges kleid
vielleicht, ein geruch nach konkretion
pflaumen zb, scheiße auch, idiotie.
etwas knallt und kürzt meine zeilen ein.
schuss, metapher, rußende rachegedanken
an der methode. ich vergesse wie das kind riecht
und renne, renne jeden abend denn das kind könnte
tagsüber meinem leben abhanden gekommen sein.
was weiß denn ich. ich habe meine hände vererbt, dringend
müssten jetzt meine augen folgen, ich münze sie in kastanien um
es wird eine allee wachsen in einem fernen herbst wirft sie
meine blicke in ihre mitte –
während ihr gott: schläft
die urheberrechte der vertreibungsmärchen: schlafen
und der hund des zweifels: schläft
die villen der suburbia: schlafen
und das tourette-lachen: schläft
die luxus-geschäfte: schlafen
das blackout: schläft
und die eingestürzten brücken: schlafen
während das nostalgiesyndrom: schläft
und die paranoia: schläft
die bullen- und bärenmärkte: schlafen
und der maschinensturm ihrer sprache: schläft
die infanteristen der zukunft: schlafen
der asphalt: schläft
und die rastplätze: schlafen
während euer „aus freiheit mach freihandel“: schläft
euer „arbeit macht daseinsfähig“: schläft
kant, aufklärung und die schengen-religion: schlafen
goethe, schiller und der stolz der nation: schlafen
diesel-doldgruben und flugzeuge mit aufklärungsfunktion: schlafen
das bevölkerungs-hurra-hurrara im urkontinent pangäa: schläft
und jetzt bitte einen drink auf die vereinigten staaten von bla-bla: schläft
ruft die generation-kaputt-plus
mit einer enttäuschten sehnsucht
der generation-erdrutsch zu:
uns will die zukunft aus der hand fallen
dann werden wir eben zu selbsternannten selbstgefälligen totalitären überheblichen unterbelichteten verwichsten hohlen kranken unlustigen mittelmäßigen niveaulosen perversen respektlosen drittklassigen gleichgeschalteten genderwahn- gesinnungs- hurra- islamisierungs- verschwörungs- korrektheits- moral- multikulti- öko- propaganda- hippie- tugend- EXILANTINNEN unserer selbst
They are not sending their best. They are not sending you. They are not sending you. … with us.
(Donald J. Trump)
sieh her:
wir haften an, fahren immer diesen kreis entlang
i have the best people und mein wäldchen
ist ein spiegelkabinett, seine mechanik quietscht
wenn er übers steuerpult bloß neue bilder hochzieht
those rapists, they are not sending you
wir hören, wenn wir sprechen
wir hören ich in einer tour
on both sides of the aisle
diesem einzigen techniker
ach diesem säuselmullah zu
there were some very fine people on both sides
und alle hielten gleich gültige plakate: hoch
machen wir also mongolischen honig, bleiben unsortiert
suchen wir den einen baum, der summt, auf dass
auf dass wir dort alle unverschleiert ineinander fallen
auf dass wir allen waben ihren faden ziehen, sag
wie fängt man einen schwarm? the good, the bad, and then some
Wir müssen ganz friedlich und überlegt vorgehen, uns ggf. anpassen und dem Gegner Honig ums Maul schmieren, aber wenn wir endlich so weit sind, dann stellen wir sie alle an die Wand. (Holger Arppe)
ich werde die dinge für die gemeinschaft in stellung bringen
es gibt kein programm für einen abtritt des monsters. es wird
mich finden, dich finden, unsere kinder bemalen. weiß und rot
rot und weiß ist alles, was ich dann noch liebe, platzt.
ich werde dinge für die gemeinschaft in stellung bringen
wir werden waffen führen hinterm vorhang, zuckerrote peitschen
aus dem paradies, großartig tropfendes obst, zuckende eingeweide
wir werden drin untergehen vor liebe wie die schweine.
denn die welt wird wieder eine decke sein, gescheckt und warm
jeder wird seinen fleck haben und einen schwanz, ein kleines r
mit einem knick nach rechts für simplere befruchtung.
ich werde dinge für die gemeinschaft in stellung bringen
kinder produzieren wir endlich, unzählige blendende kinder
in erneuter hackordnung nach ihren haarfarben sortiert
also mach mir ein neues, mein jetziges ist am kopf zu dunkel.
ich werde dinge für die gemeinschaft in stellung bringen
sieh ein, wir können nur gewinnen, wenn wir dem monster vorauseilen
zur kasse, zum stall, in den einzig verbliebenen backstagebereich
dort wartet, perücken in beiden händen, der letzte gute tod.