27. Februar 2019 — Demokratisierung

F. ist ein historischer Begriff, nicht anzuwenden, sagen die einen, auf die Gegenwart. Ist immer wieder Gegenwart, sagen die anderen, also notwendigerweise wieder neu zu benennen. Ist abgeleitet, lateinisch, von einem Bund schlagender Äste. F. stellt uns also schon von vornherein die Ruten ins Fenster. Panorama einer Drohgebärde. Und es wird drauf losgedroschen, eingedroschen, auf alle, die nicht spuren. F. ist immer schon Gewalt.

F. ist die Eigenbezeichnung paramilitärischer Bündnisse Anfang des vergangenen Jahrhunderts. Ist die Sammelbezeichnung demokratiegefährdender Allianzen seither. Ist unpräzise, nur Worthülse, paranoid bedient und allzu leichtfertig heraufbeschworen, sagen die einen: man kann das Heute doch nicht mit dem Damals! Ist die Gefahr des Unpräzisen, die permanente Wiederbefüllung der Worthülsen, sagen die anderen. Denn im Gegenteil: man muss das Damals immer im Heute. Erkennen.

F. ist übervoll vom Wahnsinn selbstherrlicher Männlichkeit. Ist Kollaps der Zivilisation. Negierung alles Partizipatorischen. Bruch der Verfassung. Steht, historisch-kritisch, für das Ende der Republik. Bereitschaft zum Krieg. Wurde gelernt und ist abgehakt, als Stoff im Geschichtetest. Wurde ausgelutscht und ist mittlerweile zahnlos, als Schimpfwort in Onlineforen. Drängt sich aber auf, gegenwartskritisch, als Analysebegriff aktueller Regierungen. Weltweit. Und gerade bei uns. Woher kommt dieses Drängen? Oder ist's nur erneute Paranoia? Propaganda von links? Ist doch nur eine Verbotszone. Nur eine Sicherungshaft. Nur eine Ausgangssperre. Freiwillig. Wir tun wenigstens was, um unsere Leute zu schützen!

F. lügt. F lügt gerne. F gefällt sich in Lügen. Lügt so hinterfotzig, dass es schon eine Freud. Entstellt Wahrheiten bis zur Unkenntlichkeit. Unterstellt Tatsachen eine Belanglosigkeit. Verstellt die Sicht auf Wirklichkeiten. Muss drum, muss gerade darum klargestellt werden. F. ist ein Wurm. Gräbt sich in Systeme. Ist eine Sau. Versaut einem die Sprache. Ist ein Gift. Sickert in die Grundfesten des Demokratischen. Und ist geil auf die Macht. Meist sogar notgeil. Drum werden, wenn F. an der Macht, so gerne Notverordnungen erlassen.

Bevor F. aber die Sau rauslässt, schmiegt sich F. so richtig zahm an die Schalthebel der bestehenden Institutionen. Wer an die Macht will, macht zuerst recht schön auf süßes Kätzchen. Schnurrt im Walzertakt. Tanzt auf Hochzeiten, Opernbällen. Trampelt auf Menschenrechten rum. Schüttelt dem Kapital die Hand, grad bei uns und weltweit. Eröffnet Salons (da braucht's gar keine Salonfähigkeit mehr, wenn man schon selbst welche hat). Glänzt von Titelseiten, zusammen mit den feschesten Autokratinnen und Autokraten dieses Planeten. Wer hat F. den roten Teppich ausgerollt?

F. ist beweglich. Flexibel. Kann auch mit dem 12-Stunde-Tag. Mit der 60-Stunden-Woche. Mit der Streichung von Feiertagen. Freiwillig! Da vergisst F. seine völkische Färbung, weil F. färbt richtig geil um. Nicht nur die Schalthebel der bestehenden Institutionen, nein, zuerst einmal sich selbst. Denn F. comes first. Und damit das geht, gefällt sich F. (nicht nur heutzutage, auch historisch) in extremer neoliberaler Koalition. Da wird das Neoliberale so richtig extrem in Gang gebracht. Da haben dann alle was davon.

F. ist angekommen, sagen die einen. Und die anderen. Also alle. Aber da missversteht man F. Ist nämlich die perfide Strategie von F., dieses Angekommensein in einer scheinbaren Staatsmännlichkeit und Volksmilde. Aber mit einem Ankommen im Jetzt gibt sich F. nicht zu frieden. Hat sich noch nie. Zufrieden. Und überhaupt: Frieden? Jedesmal, wenn F. da war, ging es vor allem um das, was kommt. Und da braucht's keine Wunder, es geht ihnen ums Morden, äh Morgen. Die große Vision. Die neue Zeit. Ist die Unersättlichkeit von F.: wenn's begonnen, wird’s bis zum totalen Ende.

Hat immer mehr wollen. Ist ein fatales Wollen. Ist der Wille zum Totalitären. Das darf man F. durchaus zutrauen. Da sollt man F. echt nicht unterschätzen. Hat nämlich total Erfahrung darin, historisch-kritisch. Schaut denn keiner mehr kritisch? Wenn F. schon mal in Bewegung, dann wird’s ein ordentlicher Marsch, durch die Institutionen bis zur Kanzlerschaft. Von Kanzler wird dann nicht mehr die Rede sein. F. wird da lang schon den Führungsanspruch gestellt haben. Sollt sich warm anziehen, nicht nur der Sozialstaat, der ist ja ohnedies, ich mein, wie sozial kann man heutzutag? Nein, auch der extrem neoliberale, konservative Shooting-Star Europas. Wird dann Geschichte. So kurzsichtig kann man gar nicht sein, um nicht zu erkennen, wovon eigentlich die Rede ist. Wenn der Faschismus am Wort.


Thomas Arzt — geboren 1983 in Schlierbach (Oberösterreich), lebt in Wien. Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Universität Wien. Schreibt Lyrik, Prosa, Essays, Hörspiele und Theaterstücke.

→ http://www.thomasarzt.at