22. August 2018 — Rechtsterror


flaschen sammeln
ist auch keine lösung

oder

lieber wieder
#weiterschlafen

oder

erst kommen die flaschen dann
die moral

oder

die masse macht’s zumindest
macht sie lärm die

quoten wollen tanzen dafür
nimmt man idioten gern in kauf die
masse macht’s zumindest
macht sie lärm die

scheppert klirrt zersplittert springt
zerschlägt den
flaschen droht der untergang den
flaschen droht das ende die
flaschen werden endgültig entsorgt das
geht doch nicht das
kann nicht sein hat heute nichts mehr einen wert hat
heute keine flasche mehr bedeutung hat heute
kein zeichen mehr einen sinn ist alles mittlerweile so
entwertet dass man jetzt
flaschen sammeln gehen darf und muss erst
sagt er sich der theatermann wenn
die künstler sich wieder für die realität interessieren wenn
diese leergutreproduktion ein ende hat erst
wenn die künstler sich
wieder für die realität interessieren findet
die kunst wieder zu sich von
alleine kann die das nicht die kunst die
kann zwar alles darf auch alles aber
bitte unter berücksichtigung der
realität die nämlich relativ simpel
beschaffen ist
hier die flaschen dort
die moral

oder
die masse macht’s zumindest
macht sie lärm

deshalb denkt der sich ab
in die realität zurück zum
flaschen sammeln denkt
sich der theatermann der
von der masse sich verdrängt längst fühlt der
steht doch mitten drin ja sogar drüber
kann man sagen aber fühlt sich
abgehängt wieso kann er halt auch
leider so nicht beantworten das
hat die realität so an sich dass
sie emotional beschaffen ist drum
muss die kunst ja richten was
die emotions durcheinanderbringen aber gut
wer kennt sich auch noch aus heute in
der masse hier an angeboten der
war doch einmal das hauptangebot der
theatermann jetzt steht der leider etwas
ab vom schuss kurz vorm recycling deshalb wenn
nichts mehr geht dann geht man
in die politik denkt sich
der theatermann der

fühlt das die verdrängung die
fühlt der theatermann tief in sich drin da
wo andere mitfühlen fühlt der sich verdrängt diese
verdrängung die ihn ganz persönlich individuell in
seinen privilegien ganz hart dann trifft jetzt kurz vor
restmüll denkt der sich muss da eine bewegung her eine
masse die ihn wieder zurück in die mitte trägt weil
die masse macht’s zumindest
macht sie lärm

oder

erst kommen die flaschen dann
die moral
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sammlungsscreenshot — nazisundgoldmund

denkt der sich der theatermann schreit zurück
zu den flaschen zurück
in die realität die nämlich nicht mehr
die seine ist ja nicht einmal mehr
die nationale das leergut ist halt
heute international das
will man natürlich den flaschen so nicht sagen die
sollen glauben dass es eine nationale leergutlösung gibt dass
gesammelt werden kann was zusammengehört und
dann entsorgt dort wo es das globale leergut hingehört
outsourcing der flaschen den
müll produzieren wir entsorgt wird dann woanders so
funktioniert kanal so
funktioniert zivilisation so lösen wir
die nationale flaschenfrage

oder
unsere flaschen unser leergut

wer will denn das herrschaftszeiten
denkt der sich der theatermann das
spätmoderne zeichenchaos das
war doch alles einmal so schön einfach da
die flaschen da der rest und jetzt

reklamieren hier die leergutopfer seit jahren für
sich ganz exklusiv einfach so einen opferstatus ohne
leergutrecht genug geopferjammert hier
dem theatermann ists jetzt genug wer
opfert sich denn für den theatermann der
selbst hier mittlerweile plötzlich opfer überholter
abgehängter klassiker und leergutexperte im
hochtechnologie posthumanismus post überhaupt post nur mehr noch
da kennt sich doch kein mensch mehr aus kein
weißer alter abgehängter bei all dem post von daher
zurück zum leergut zurück
zur realität lob
des leerguts lob
des realismus lob
der flaschen

oder

das leergut ist fruchtbar noch
aus dem das kroch

das sieht doch alles keiner mehr das
sieht hier nur mehr noch der theatermann der
alles sieht der sieht das der sieht jetzt
reklamieren alle hier sich wieder einfach so zum
opfer na so gehts nicht ein opfer geht zwei auch wenns sein muss
denkt der sich der theatermann der gern noch
selbst festlegt wer opfer sein darf und wer nicht

oder der denkt sich nichts
beim flaschen sammeln der denkt nur
an sich selbst der
denkt nur dass er da selbst womöglich einmal
steht dann schlecht aussortiert das
etikett verblasst in der zeit kronkorken
notdürftig fälschlich aufgesetzt von
einer falschen flasche ausgeliehen splitter und narben
risse brüche schon kurz vor
restmüll eigentlich und dann im
falschen laden abgegeben von
der leergutmaschine leider nicht
identifizierbar völlig wertlos weltlos zeitlos plötzlich

flasche
nicht erkannt

es ist schon heftig wenn
man von der zeit einfach hinweggefegt das
kann man unumwunden zugeben schmerzhaft auch alles
vergeht da fragt man sich am
ende dann im angesicht der realität wie
geht das fragt der sich der
theatermann dass
einzelne in der zeit bedeutung wahren lesbar
bleiben während anderen das etikett abhanden kommt

flasche
nicht erkannt

alle flaschen
wollen lesbar bleiben

wie geht das denkt der sich von
der maschine wertlos ausgeschieden

flasche
nicht erkannt

wie geht das wenn man die zeichen der zeit
nicht mehr lesen kann und sich entwertet fühlt wie
geht das dann wie macht man weiter

flasche
nicht erkannt

oder

unglücklich das land
das keine flaschen hat

nein unglücklich das land
das flaschen nötig hat

Thomas Köck — geboren 1986 in Oberösterreich, arbeitet als Autor und Theatermacher. Studierte Philosophie in Wien und an der FU Berlin sowie Szenisches Schreiben an der UdK Berlin. Mit einem Dokumentarfilmprojekt über den libanesischen Bürgerkrieg eingeladen zu Berlinale TALENTS sowie nominiert für den Filmförderpreis der Bosch Stiftung. Konzipierte Lese- und Veranstaltungsreihen in Wien, Berlin und Mannheim. War Hausautor am Nationaltheater Mannheim und erhielt u.a. den Else-Lasker-Schüler-Preis, den Dramatikpreis der österreichischen Theaterallianz oder zuletzt den Kleist-Förderpreis.

→ http://www.suhrkamp.de/autoren/thomas_koeck_14263.html