21. September 2016 — Demagogie

Finger weg! Unsere Frauen sind kein Feindbild!
Nein, das stimmt nicht.
Unsere Frauen sind kein Freiwild!

Also, zumindest für die Herren Asylanten nicht, die wir zwar umzingeln können, weil sie ja umzingeln könnten, auch wenn sie niemanden umzingeln wollen, sicher ist sicher. Wir hingegen kreisen gerne ein, da sind wir uns sicher, die Frauen und die Unterschiede, am liebsten die Unterschiede, und am liebsten die Unterschiede zwischen Innen und Außen, weil wir immer innen sind. Und zwischen Oben und Unten. Der Mann muss eindringen und erobern, die Frau will aufnehmen und den Mann in sich „festhalten“. Ja, aber bitte nur den echten Mann, so einen Mann, einen MannMann, an dem es sich gut festhalten lässt, auch wenn er sich nicht halten lässt. Nein, auch wenn er sich nicht halten kann. Macht nichts. Und wenn er auch nicht an sich halten kann, wird aus der unsicheren Gemeinschaft dann Familie. Tradition beats every trend. Ja, da kann man auch zupacken, da darf man zuschlagen, so lange man dabei auch zustößt. Die Lebensgemeinschaft von Mann und Frau wird schließlich ja erst durch das Kind dann zur Familie, und die Frau erst durch das Muttersein zum Menschen. Das war ja einfach. Nein, zur Frau. Denn Frausein das ist schließlich Muttersein und Kümmern und sonst nichts, drum schätze sich nun glücklich, wer so eine Frau ist, die zu einem Mann passt, nein, wer einen Mann hat, der in eine Frau passt, und auch wenn er nicht passt, wenn es nicht passt, das passt schon. Das wird passend gemacht. Drei Kinder oder mehr für autochthone österreichische Frauen, damit der österreichische Mann nicht ausstirbt. Familie – Fit für die Zukunft. Ja, da musst du dich fithalten, dass du da noch mithältst, dass du da noch mitkommst, nein, dass auch einer mit dir mitkommt, der die Unterschiede zwischen den Geschlechtern klar anerkennt, und der keine hidden agenda verfolgt, nein, der sich durch keine hidden agenda verfolgen lässt, die schlussendlich die Zerstörung der Identitäten zum Ziel hat, nein hätte. Ja, wenn ich mir das vorstelle! Nein, wenn ich mir das vorstellen könnte. Aber ich bin ja eine Frau. Stell dich nicht so an! Nein, da stell ich mich doch lieber an, in die Kassenschlange vor der schönen Welt der Utopien zum Beispiel und kaufe mir ein Stück Familienglück als schlagendes Argument, das jede Logik durch seine schiere Manneskraft postwendend in Schieflage befördert. Aber wer liegt, hat immerhin den Vorteil, dass er nicht mehr aufstehn kann, nicht wahr, dass er nicht mehr wegkann, nein, sie, dass sie nicht mehr wegkann. Aber mach dir keine Sorgen, denn der Ort der höchsten Sterbewahrscheinlichkeit in Österreich, der ist nicht das traute Heim Gewaltbeziehung, nein, der ist die Gebärmutter. Das war ja einfach. Schon schön, wenn man immer weiß, wer Täter ist, nein, wer kein Täter ist. Darf das Opfer sprechen, darf es angesprochen werden? Ja, natürlich. Ja, natürlich darf ihm alles abgesprochen werden. Sag nicht Opfer, sag doch lieber – Überlebende? Nein, das sag ich ganz bestimmt nicht. Nein, sag doch lieber Frau. Sag doch lieber Frau, wenn du Opfer meinst, nein, immer wenn du mit Opfer einen Menschen meinst, der völlig hilflos ist und außerdem noch selbst dran schuld, nein, schuldig, immer schuldig. Und schuldige Menschen müssen bestraft werden, schuldige Frauen müssen bestraft werden, oder man vergibt ihnen, falls sie sich dann beschützen lassen, nein, wenn sie sich beschützen lassen, und zwar so, wie man sich das vorstellt, nein, wie man das vorschreibt. Wie man’s in sie einschreibt. Aber weh der, die die Flucht ergreift, die da Steuergelder missbraucht. Seit Jahrtausenden haben Frauen Haus und Garten bewirtschaftet und Kinder großgezogen, da lässt sich’s doch noch eine kleine Lebenszeit lang abwarten, da lässt sich das doch aushalten, so als Frau. Ja, echte Frauen halten aus, das war schließlich schon immer so. Wenn sexuelle Belästigung passiert, und die ist ihm schließlich auch schon passiert, und er ist immerhin ein Mann, ein echter blauäugiger Mann, wenn Belästigung passiert, sagt er, dann sagt man sehr klar, dass man das nicht wünscht, und dann hat man seine Ruhe. Das war ja einfach. Darf das Opfer sprechen und wird es gehört? Nein, natürlich nicht. Aber wie sollte auch jemandem Gehör geschenkt werden, der den Ort des Mordes in sich trägt, der dann die Flucht ergreift? Die Männer würden ja gar nicht gefragt, nein, die Männer werden gar nicht gefragt, das weiß man aus dem engsten Bekanntenkreis. Ich mein, da könnte ja jede kommen, nein, da kann ja jede kommen und um Zuflucht bitten jenseits starker Männerarme, ja, aber wenn da jede kommt, wenn da jede reinkommt, wenn da jede bleibt, wer hält denn dann noch aus? Männer werden nicht gefragt, Familien nach dem Gutdünken der Frauenhaus-Mitarbeiterinnen zerstört. Ja, wer hält uns dann noch aus? Dabei will eine Frau doch, selbst wenn sie die Scheidung will, immer noch lieber von ihrem NochPartner penetriert werden, als von einem wildfremden Mann. Ja, vor denen würde ich mich dann ja vielleicht auch ins Bordellschutzhaus zurückziehn, aber doch nicht vor mir, vor uns. Ach, aber das ist doch gar kein Rückzug, das ist bloß Demut vor der Schöpfungsgeschichte, nein, vor dem Schöpfer, vor dem Wortschöpfer und seinen Schöpfungsphantasien. Ja, da musst du achtgeben, dass du auch was abschöpfst, dass du was abfängst mit deiner kleinen Weibskelle, nein, dass du eine abfängst, wie es das Frausein, das echte Frausein, das ja immer ein Aushalten ist, von dir erwartet. Schließlich bestimmen die Geschlechtsorgane zugleich Seinsweisen des Mannes beziehungsweise der Frau. Was nicht passt, wird passend gemacht. Das war ja einfach. Ja, und wenn das eine anders sieht, kommt man ihr doch entgegen, nein, man kommt vorbei und behauptet, dass man eine kennt, die da wohnt, um sich Zutritt zu verschaffen. Das war ja einfach. Frauenhaus. Bester Aufrissplatz. Irgendeine ist immer da. Das war einfach. Was ist naiser, wo soll ich hin? Aber Obacht!, jetzt sind die Frauenhäuser aber schon gewarnt, jetzt kannst du nur noch auf ein Bier gehn. Jetzt kannst du nur noch auf die andren losgehn. Linke Weiber ausknocken – immer und überall.

In dieser Haltung, so behaupten sie, käme das Grundgefühl einer ganzen Generation zum Ausdruck, nein, einer ganzen Zeit. Unsre Frauen die sind Freiwild!, nein, die sind ein Feindbild!, das muss passend gemacht werden, grün und blau oder zumindest so klein, dass es als schönes Passfoto wieder in die Geschichte passt, damit es sich einfügen lässt, dass du denkst, das gibt’s nicht, und Grenzen gezogen werden, aufdass gleichzeitig Körpergrenzen niedergetrampelt werden können und Spenden übergeben zum Schutze der Frau aus patriotischer Solidarität, damit geschlagen und dabei auf starken Schultern getragen werden kann, damit diese Geschichte weitergehn kann. Das war ja einfach. Aber die einfachsten Geschichten sind schließlich die schönsten Geschichten, weil da jeder mitkommt, weil da eben nicht jede_r reinkommt, oder nicht oder nicht.

Zitate wurden kursiv gesetzt.


Gerhild Steinbuch — geboren 1983 in Mödling (Österreich), lebt in Berlin. Studium Szenisches Schreiben in Graz und Dramaturgie an der HfS Ernst Busch, Berlin. Arbeitet sowohl allein an Essays, Prosa und Theatertexten als auch im Kollektiv Freundliche Mitte, sowie als freie Dramaturgin.