HydraTirade ausgekotzt und hingerotzt, vor allem hinten heraus.

15. März 2017 — Rechtsterror

Hydra sagt: Let’s start again.

Hydra sagt, erstens: Ihre Rundfunkbeiträge sind am 1.1.2017 fällig.

Hydra sagt, zweitens: Es ist eine schlechte Zeit für Gefühle, glaube ich. Aber mir ist das lieber so.

Hydra sagt, drittens, Kwame Anthony Appiah sagt: [T]here is nothing in the world that can do all we ask race to do for us.

Hydra sagt, viertens: Ich freu mich so auf Weihnachten, da fahr ich zu meinen Eltern und schau die ganze Zeit Edgar Wallace auf Kabel 1, vor allem diesen einen Film, das war der erste damals, glaube ich, von 1959 oder 1939 oder 2019, du weißt schon, oder: DAS VOLK MIT DER MASKE!?

Hydra sagt, fünftens: Hallo, hier spricht Queerschläger. Wir sind eine terroristische Vereinigung aus Lesben, Schwulen, Transfrauen, Transmännern, Inter- und Asexuellen, und wir wollen mit Gewalt erreichen, was die Medien als vierte Gewalt nie erreichen werden. Weg mit der Scheiß-Political Correctness der Neuen Rechten! Weg mit den Tabus, die in den Rassisten keine Rassisten sehen, in den Faschisten keine Faschisten, weg mit der Sprache, die alle einheitlich zum Volk erheben oder als Volksverräter brandmarken oder verbrennen, weg mit den Einschränkungen, die unsere Leistungen und unsere Gemeinschaften begrenzen, weg mit den Kornblumen, dieser feigen Gemütlichkeit. Ja, es geht uns um euch! Hallo Thilo Sarracenos, hallo Heinz Bush Cow Ski, hallo Henryk M. Brodel, hallo Matze Matt-oh-Schreck, hallo Norbert Hofier, hallo H.C. Stachel, hallo Martin [Mega-]Seller, hallo Patrick Lenor, hallo Andreas Gabberherje, hallo Frau Kepetry, hallo Beatrix vom Storch, hallo André Poggenburger, hallo Mikro Welsh Terrier, hallo Bernd Höcker, hallo Jörg Meute, hallo Birgit Keller, hallo Xaver Neider, hallo Ken Yep!sen, hallo ihr lieben Langweiler mit eurer ersichtlichen APO-Abklatsch-Klatsche. Eure politische Korrektheit kotzt uns an. Ihr zensiert alle. Ihr wollt, dass wir von Bürgern sprechen, nicht von Menschen. Ihr wollt, dass wir über die Nation reden, über das Volk, über Patriotismus, nicht über den Staat, die Gesellschaft, über Diversität. Ihr wollt nicht, daß ich das N-Wort sage, wenn ich euch die Fresse eintrete, aber ihr werdet mich immer wieder schreien hören: Nazi, Nazi, Nazi. Spürt ihr diese Faust? Sie riecht nach Zwiebeln.

Hydra sagt, sechstens: Mein Plan war die Weltherrschaft. Aber der Plan, muss ich zugeben, verfolgte eher mich, als ich ihn.

Hydra sagt, siebtens, Ulf Poschardt schreibt: Versteht man die Popkultur als ein Reservoir heimlicher Sehnsüchte und inspirierender Parallelwelten, ist der Erfolg von Fernseh-Helden wie Dr. House, Barney Stinson oder Mr. Big aus Sex and the City, eine Art Doppelgänger von Donald Trump, gerade in Deutschland ein Hinweis darauf, dass die klinische Sprache auch der deutschen Fernsehunterhaltungsbanalität längst verschmäht wird – während ein Exzess zynischer, auch aggressiv politisch unkorrekter Sprache als befreiend und amüsant wahrgenommen wird. Hydra fragt: Wenn das stimmte, was POP-Ideologe Poschardt da faselt, würde ich ihn dafür bewundern, und die Motivation seines Gefasels – andere zu seiner Bewunderung und Anbetung zu bringen – wäre im Nachhinein mehr als berechtigt, doch für mich stimmt es überhaupt nicht. Ich habe Dr. House, also den Charakter, nicht die Serie, nur ertragen, weil es Dr. Remy Beauregard Hadley alias Dreizehn gab. Ich kann How I Met Your Mother nur sehen, weil es Lily Aldrin gibt, ich habe die Serie überhaupt nur angefangen, weil Alyson Hannigan Lily Aldrin spielt, und wenn ich eine Figur rausschneiden oder rausschreiben könnte, wäre es die voraussehbarste und langweiligste von allen, nämlich Barney Stinson, dessen Hyperheterosexualität nicht mal dadurch interessant wird, dass er durch einen schwulen Schauspieler gegeben wird. Aber gut, dann sind sie eben beide da, und vielleicht ist das eben das beste. Aber Mr. Big? Ich habe Sex and the City bis heute nicht verstanden, weil ich nicht eine Mikrosekunde nachvollziehen konnte, was die Hauptfigur von diesem dämlichen, unattraktiven Typen eigentlich will. So, wäre das genug zur Ökonomie des Begehrens politischer Unkorrektheit? Nein, sagt Ulf Poschardt, ich hab so Lust aufs Zündeln.

Hydra sagt, achtens: Ich glaub, ich hab nen Burn-Out.

Hydra sagt, neuntens: Das hier ist übrigens ein Theaterstück. In der Pause gibt es dann ein geselliges Mahl mit dem Publikum. Natürlich wird vor allem Schweinefleisch angeboten. Schon die abgehackten Sauköpfe vor den Türen des Theaters sollten ja alle abwehren, die nichts im Nationaltheater zu suchen haben. Es wird also geprasst. Dazu Musik, ganz ungefährlich im Hintergrund, plus Tanz. Begrüßen Sie mit mir das AfD-Fernsehballett.

Hydra sagt: Moment kurz stopp jetzt bitte, ich glaub, ich hab nen Buy-Out.

Hydra sagt, zehntens: Das ist keine Esoterik! Das ist Soziologie! Soziologie von rechts.

(Hydra hat genug von der Soziologie, sie hat genug von der Gesellschaft, sie hat genug von Erklärungsmodellen, Expertenrunden, Analysen und einer apokalyptischen Rhetorik und sagt: Habermas sagte mal, als er noch Student war, am Ende ist es doch so, es gibt riesige Arschlöcher da draußen und weniger riesige, und dazwischen wird gestorben.)

Hydra sagt, elftens, Lacan sagt: Die Angst vor dem Anderen sitzt an derselben Stelle wie die Kastrationsangst. Die Angst vor der Sättigung des Mangels, vor dem Nicht-Fehlen, das ist das Unheimliche, die Panik, dass alles da draußen genau so ist, dass es ganz genau so ist, wie man sich das wünscht, wie man das begehrt, der Abgrund, der sich auftut, wenn man feststellt, dass man alles hat, aber nicht glücklich davon ist, wenn Sie das spüren, dann spüren Sie den Anderen, der nicht ruhen wird, solange wir begehren.

Hydra sagt, zwölftens: Bevor wir hören, was Lacan uns zu sagen hat, sollten wir uns klarmachen, dass jedes werdende Subjekt die Wirkungen der Sprache erfährt, in deren Netzwerk es sich situiert. Dadurch entsteht Kultur und Teilhabe, dadurch erfährt sich dieses Scheißsubjekt, das nicht ich bin, auch als Verlorenes und Entzogenes.

(Hydra flüstert: Jetzt schon wieder Netzwerke, können wir nicht einmal eine Sprache finden, die nicht klingt, als hätte sie sich ein Philosophiestudent auf Koks gebastelt?)

Hydra schüttelt den Kopf und fährt fort: Dadurch entsteht auch dieser beschissene Anspruch des Anderen, der uns jetzt schon wieder heimsucht, und wir wollen diesen Anderen, diesen ganz Anderen berühren, wir haben Angst davor, ihn zu berühren, der ganz Andere ist die Panik vor uns selbst, die Panik vor dem Nichts, das wir sind, DIESES FUCKIN’ NICHTS, DAS ICH BIN.

(Hydra denkt sich: Bei der Vorstellung Zärtlichkeiten mit Strache auszutauschen fahren mir die Schuppen senkrecht nach oben. Aber ein wahrer Revolutionär muss zu allem bereit sein, sagt sie sich sogleich und frisiert sich die Schuppen zurück in den Schafspelz.)

Hydra sagt, dreizehntens: Wir sind alle traumatisiert.

Hydra sagt, vierzehntens: Das ist eine Vereinfachung.

Hydra sagt, fünfzehntens: Wenn alle Probleme Sprachprobleme sind, dann sollte man nur noch einfache Sätze formulieren.

Hydra flüstert: Wir sind alle dramatisiert.

Hydra sagt, sechzehntens: Worüber man nicht sprechen kann, das frisst die AfD.

Hydra sagt, siebzehntens: Wenn alle Probleme Sprachprobleme sind, sollte man Frauke Strache Petry Trump den Mund zunähen.

Hydra sagt, achtzehntens: Das hat jetzt nur indirekt mit Pop zu tun, aber Pop gefällt sich ja vor allen Dingen in seiner indirekten, ironisch-gebrochenen Haltung, mit der er alles kann, vor allem Mehrwert und Selbstmitleid.

Hydra singt: For the times / they are a-changin’.

(Hydra hält kurz inne, sie sieht Wittgenstein in einem Zimmer sitzen, manisch Sätze niederschreiben, für wen, wer wird ihn lesen, zu welchem Zweck, seine Haare aschfahl, hat er Angst?)

Hydra zählt und zählt und hält inne und denkt sich: Was dem einen sein Burn-Out, ist dem andern seine Manie, was dem einen seine Krise, ist dem nächsten seine Chance, was dem einen seine Arbeit, ist dem nächsten sein Kapital, was dem einen seine Träume, ist dem nächsten sein Marketing, was dem einen seine Wünsche, ist dem nächsten sein Slogan, was dem einen sein Platz, ist dem anderen sein Ziel, was dem einen seine Flucht, ist dem nächsten sein Terror, immer vertauschen sich hier andauernd die Plätze und immer besetzt ein anderer den Ort des Begehrens eines anderen, der sich wie neurotisch auf diesen anderen fixiert, der ja eigentlich sein Begehren ist, ein unerfüllbares, ewig gebrochenes.

Hydra sieht, wie Strache mit einem jungen Flüchtling knutscht. Sie küssen sich lange, flüstern sich dazwischen in die Ohren, liebkosen sich, streicheln sich ihre Haare, lächeln sich zu, „lassen ihre Zungen tanzen“, berühren ihre Fingerspitzen, „jede Pore schreit” nach dem Körper des Anderen und Strache schiebt Panik, weil er diesem Begehren des Anderen nicht nachkommen will und seine Küsse werden unruhig, zornig, wild.

Hydra schnauft aus hunderttausend Köpfen.

Hydra klingt dabei wie ein Orgelkonzert von Johannes Sebastian Jacques Zizek Poschardt Butler Lacan Bach.

(Hydra fragt sich beim Zuhören, ob eigentlich Bach schon Rassenhass kannte, ob der für den ein Begriff war. Hat Bach beim Komponieren irgendwann gedacht: Ich möchte, dass diese Sentenz hier meine Verachtung gegenüber dem Rassismus offenbart, diese Triole ist meine antirassistische Triole?, die Bach bei jedem Konzert mit besonderer Wut und Verachtung in die Orgelpfeifen quasi hineinprügelte, woraufhin ihm immer das Toupet vom Kopf fiel.)

Hydra sagt: Erschöpft von all dem Begehren, von all den Anderen in uns selbst drin, ist der weltweite Hass ein Symptom eines gesellschaftlichen Burn-Outs.

Hydra rebootet: Was dem einen sein Burnout, ist dem anderen sein Toupet.

Hydra liest Armin Nassehi: Burn-out tritt auf, wenn Dinge zusammengebracht werden, die nicht zusammengehören.

Hydra marked herself safe during The Attack in Berlin, Germany. Wobei. Hydra geht ja nicht auf Weihnachtsmärkte. Grundsätzlich. Hydra was not present, also ist ihr nichts passiert und ihrem direkten Umfeld ist auch nichts passiert, also alles ausschalten, Hydra has left the building, erstmal zum Yoga und Yoga bedeutet Einheit, hier sind alle eins und eins wie das andere, und alle sind gleich weiß und gleich schön und gleich schlank und keiner ist keinem, jetzt einatmen, ausatmen Atemanhalten und 3 2 1 ein und 3 2 1 aus, und jetzt Angst, 3 2 1 ein, jetzt Taubheit, 3 2 1 aus, jetzt Gleichgültigkeit, 3 2 1 ein, Hydra hat shortly after The Attack in Berlin, Germany 48 Stunden lang Friends geguckt, der 1990er gedacht, dem sanften Anfang der Nuller-Jahre, und alle sind gleich weiß und gleich schön und gleich schlank und alles beginnt mit dem Theme-Song, oh yeah, I´ll be there for you, und Rachel sagt Chandler sagt einatmen, ausatmen, Monica sagt Joey sagt: Ist das jetzt der Untergang der westlichen Zivilisation?, einatmen, ausatmen, Oh yeah, your love life’s D.O.A., und Phoebe sagt einatmen, ausatmen, 3 2 1, I´ll be there for you, I´ll be there for you, cause you’re there for me too und Ross sagt: Oh, am I? Am I? Am I out of my mind? Am I losing my senses? Hydra sagt: antworten, jemand möge einfach antworten.

Hydra sagt: Warum werd’ ich beim Yoga neuerdings immer so wütend? Warum sammelt sich neuerdings beim Meditieren so viel Spucke in meinem Mund? Oder. Ist das Schaum?

Hydra sagt: Ich will, dass meine Vagina die Welt regiert, ich will Nadja Tolokonnikowa sein und sagen: Penisneid offenbart sich immer im für Reflexionen unpassendsten Moment. Hydra sagt: Ich will mit Nadja Tolokonnikowa lesbische Hochzeitslieder zitieren und tanzen und dabei den Phallozentrismus aus den Poren des Universums herausschwitzen.

Hydra sagt: Willkommen Frau Käsehage, Religionswissenschaftlerin und Historikerin, Sie haben mit über 150 Salafisten gesprochen, mit Jihadisten, Sie sind Wissenschaftlerin, wie haben Sie es geschafft, dass diese Frauen und Männer mit Ihnen sprechen? Wir wollen verstehen: Wann wird aus einem Islamisten oder einer Islamistin ein/e Täter/in, also jemand, der in den Heiligen Krieg zieht? Helfen Sie uns, zu verstehen? Warum reden die mit Ihnen und worüber?

Hydra sagt: Unwissenheit schützt nicht vor Angst.

Hydra fasst auf, Hydra fasst zusammen, Hydra fasst sich, Hydra fasst sich ein Herz und ruft endlich bei der Sozialversicherung an, und ihr Herz hört sie schlagen.

Hydra sagt: Unwissenheit schützt auch nicht vor Terror.

Hydra sagt: Fasst nicht zusammen, was sich nicht zusammenfassen lässt.

Hydra zählt mit Leonard Cohen Todesarten auf: And who by fire? Who by water? Who in the sunshine? Who by high ordeal? Who by common trial? Who in your merry merry month of May? Who by very slow decay? And who shall I say is calling?

Hydra sagt: Wer sich in Unwissenheit flüchtet und andere für sich denken lässt, wird niemals in Sicherheit leben.

Hydra sagt: Oder so. Unwissenheit war immer schon der schöne Standplatz einer Sicherheit, die sicherlich erst ihresgleichen suchen muss.

Hydra sagt: Oder so. Oder so. Oder so.

Hydra sagt: Unwissenheit schützt aber leider auch vorm Sprechen nicht.

Hydra sagt: Buchstabiere FRIENDLY WORDFIRE.

Hydra sagt: Reißt sie ein, die Asyle der Unwissenheit. Öffnet sie, die Massenquartiere der Kurzsichtigkeit. Nennt sie beim Namen, die Auffanglager der Verdummung.

Hydra sagt: Wo zunehmend vergessen wird, Tatsächlichkeiten zu beschreiben, Zusammenhänge zu erklären, Komplexität sichtbar zu machen und auch die Möglichkeit zu handeln, dort wächst die Sehnsucht nach Vereinfachung, wachsen Ohren, Augen auch und ganze Körper einer Resonanz für halbe Wahrheit, volle Lüge; dort wächst Gras über den Boden, breitgetreten wieder von Erzählern großer Narration; am lautesten, wir kennen sie schon, schreit jene der Nation.

Hydra sagt: Gründet antinarrationalistische Initiativen!

Hydra sagt: Erzählt die Geschichten der Tatsächlichkeit, in ihren verworrenen Verläufen, in ihrer Vielgesichtigkeit, mit all den kleinen Blicken aufs vermeintlich Nebensächliche (denn Wirklichkeit hält sich selten an gewohnte Dramaturgie) und setzt sie ihr entgegen, unentwegt und hartnäckig, dieser aufgewachten, wachgehaltenen, nie womöglich eingeschlafenen, größensüchtigen Erzählungspolitik.

Hydra sagt: Wenn man einmal keine Geschichte hätte, unter der die Welt verschütt geht, ja, das wäre schon was Schönes.

Hydra sagt: Wenn es nicht so viele schwule Figuren in den Soap Operas gegeben hätte seit den 90ern, würden heute nicht so viele Flüchtlingsunterkünfte brennen.