I PROMISE THE WORLD TO YOU ODER 
WIE ICH 
MIT HILFE 
MEINES GESICHTZWILLINGS DIE NACHHALTIGKEITSKRISE 
WEGGEFEUDELT HABE

Ein Gastbeitrag von Maren Kames
23. Mai 2018 — Demokratisierung

ich hatte mal diesen pr berater, er hat wahnsinnig geschwitzt, schon nach wenigen wochen kannte man ihn nur noch als den triefenden, es war auch schwierig, das regierungsprogramm ein einziger hindernissparcours, eine vermaledeite stolperparade, wie der pr berater immerzu gerufen und dazu irrsinnig getropft hat, jeder paragraph ein neues propagandaloch, und draußen der mob mit seinen ganzen demos, es falle ihm zu all dem jetzt schon nichts mehr ein und tatsächlich waren uns ja auch im frühjahr schon die ideen für den sommer, den herbst und den winter ausgegangen, wie gesagt, und unter denen war die nachhaltigkeit die aller ausgenudeltste, jenseits von gute, die war längst hinüber übers ablaufdatum, seit den späten neunzigern war die schon nur noch ein schlechter witz, das hab ich schon gespürt, als ich noch hüfttief in meinen recyclefeindlichen einwegpampers gesteckt habe, in den jugendjahren meines politischen werdegangs erst recht, und später dann, haben wir uns allesamt die parlamentarischen unterlippen zerbissen, um uns vor lachen nicht insgeheim anzusellnern, jedes mal, wenn von dieser nachwas, nachhöll, nachhaltigkeit die rede war, und also hat gerade der pr berater wahnsinnig schwitzen müssen, regelrecht verrückt ist der geworden, wie ein bekloppter hat er dann immer nur noch gesungen, von einem affen, der wohl irgendwie in den himmel gegangen sei, als täte er seinen politischen bankrott in popkulturellen tier- und todesmetaphern schon vor sich hin singen, während sein toxischer schweiß sämtliche regierungsgarderoben durchsifft hat, tonnen an waschmitteln und weichspülern mussten die politwäschereien allein für ihn anschaffen und wegwaschen, die ökobilanz meines personalstabs ist sowas von rasant in den keller gespült worden durch die turbotranspiration von nur diesem einen pr berater, für die vertuschung dieser verschwendung sondergleichen musste ein weiterer spezialberater eingestellt werden, dem der schweiß aber auch vom ersten tag an zu gesicht und aus den hemdsärmeln heraus gestanden ist, woraufhin in schneller folge und sintflutartigem ausmaß immer weitere reinigungsexperten, -kräfte und -geräte angeschafft wurden, drycleaner, instantshampoos, einwegdeodorants, greenwash spezis, whitewash spezis, der parteipolitische hygiene– und kosmetikapparat hat völlig abgefahrene dimensionen angenommen, also heillos war dieses schweißdesaster, und geholfen hat alsbald jedenfalls überhaupt nichts mehr, transparenz versus transpiration, diese entscheidung war eine der leichteren in diesen ökologisch ohnehin febreze äh brisanten zeiten, da musste eine grundständige, porentiefe hochdruckreinigung vorgenommen, die ganze abteilung einer blitzsäuberung unterzogen werden und vor allem natürlich musste der pr berater weg. den mussten wir entsorgen. mitsamt seinem indiskutablen, randständigen, mainstreamfernen musikgeschmack.

ich sagte mir:

the midnight hour

I know you’ll shine on through

und habe den vollends erledigten pr berater in einer nächtlichen wasch- und nebelaktion höchstpersönlich und kurzer hand selbst auf der detox-deponie im nahegelegenen kurort abgeladen.

von da an war ich der saubermann.

der lindenblütenweiße anti-transpi-burschi.

der inner- und außerparteiliche hygieneausweis.

der schwiegersohn eben aller reinlichen haus- und anderer frauen und männer.

von da an war ich betraut mit der politur von allem auf seinen äußersten, äußerlichen, fassadenmäßigen glanz hin, ich war der fassadenmann, der glanzmann. das bedeutete die säuberung und sauberhaltung sämtlicher bereiche innert der landesgrenzen, der großen und der kleinen, dicken und dünnen landstriche und landsmänner, aller gremien und kader, aller flure und stühle, archiv- sowie achselhöhlen, insbesondere die körperhygiene war mir ein natürliches reinigungsvergnügen, hatte da doch anhand des pr beraters die ausuferung der vorangegangene krise ihren kärn äh keim gehabt, und so fing ich an, sie alle zu rasieren. ich rasierte, mich selbst als messlatte imaginierend, haare mit einem abstand zum kopf von mehr als sieben zentimetern, verordnete zusätzlich einen täglichen grundverbrauch von mind 10 cl pomade pro haar pro kopf, schor sämtliche bärte im äußeren bereich der backen, hälse, achseln sowie vom brustbein abwärts, rasierte alle wiesen, weiden, das blattwerk aller bäume und zaunbepflanzungen auf etwa eben jene länge, schlug sowieso alarm beim kleinsten haaransatz auf zähnen und zungen, zupfte also wild herum und war von vorne bis hinten und oben bis unten insgesamt extrem beschnittfreudig und schneidig. bei den körperhaaren, muss ich sagen, ist die sog. operation kurz-kürzt-kürzer aber letztlich ratzfatz an die grenzen ihrer kapazitäten gestoßen, es war schon im inneren zirkel des parlaments bei stolzen 67,21 prozent testosteronüberschuss nahezu unmöglich sämtliche borsten wurzeltief zu entfernen. die krux mit der nachhaltigkeit, das war mir ja eh längst klar, würde auch in dieser angelegenheit fröhlich ihre blüten treiben, da war ich lax, das gröbste ist beseitigt, sprach ich, lasst es von unten einfach weiter sprießen, hauptsache die fassaden sind symbolisch glatt und glänzend, hauptsache dieser allseits aufmüpfende vorwurf hinsichtlich der toxischen dings, drüsen, strukturen und bewüchse hat von außen seine angriffsfläche vorerst stark verkleinert.

jenseits der fassaden, können sie sich denken, war mein stab vollends durchweicht, fast eingegangen durch diesen ganzen verkeimten supersweatstorm. wir mussten dringend klar kommen, die lage checken, uns auf unseren eigentlichen standort besinnen. es brauchte einen neuen motivationsschlager, der in den himmel fahrende monkey hing allen noch zu sehr nach, wir brauchten eine art musikalische bastion, von der aus wir uns aus der mitte aller dinge über sie hinaus erheben konnten.

und da besann ich mich auf einen hit aus meinen jugendtagen. ich war damals den superabsorber pampers kaum entstiegen, als zu beginn der neonleuchtenden neunziger ein kracher von nick kames äh kamen die landeswellen rauf und runter gedudelt wurde, und ich liebte nick kamen mit der rückwirkenden kraft all meiner windel- und nachwindel- und parlamentsjahre dafür, dass er mir so früh, in der prägendsten phase meines pop- und babylebens diesen floh ins ohr gesetzt hatte, und dafür, dass er insofern, wie ich mit der rückwirkenden kraft all meiner windel- und nachwindeljahre jetzt schlagartig erkannte, so früh schon mein motivationszwilling gewesen ist, und, wie sich an der eintrach unserer sehenswerten gesichter unschwer erkennnen lässt, bis heute geblieben war (shout out an meinen allernachhaltigsten zwilling nick kamen!), mit diesem hit, der uns in dieser prekären personellen und politischen lage 1 A aus unserer propaganda- äh pr-flaute hinausbefördern würde, denn ich wusste, die brauchte ein versprechen, die truppe, die partei- sowie die sonderputz- sowie die landesinterne, ein lindenblütenweiß glänzendes, sauber strahlendes, schweißfreies versprechen, und so sang ich, übersetzt ins österreichische, denn mit fremden sprachen, ländern und sitten war von unserem standort aus momentan rein gar nichts zu holen, so sang ich mit nick kamens synthiebeat und hilfe:

ich verspreche mich selbst!

verspreche mich selbst für euch!

mitternachtstunde,

ich weiß wir scheinen, leucht!

ich verspreche mich selbst,

versprech euch die ganze welt,

ich geb euch blumen,

ihr macht meine träume gelt-

end, wie viele von uns draußen
da,
fühl‘n den drang nach schutz und einer zu-hu-flucht?

ich verspreche mich selbst,

dass ich für euch beten werd,

ein brandneues morgen,

wo all eure wünsche xxxx[1]

ich verspreche mich selbst,

ich leg mich so sehr ins zeuch,

brüder und schwestern,

ich liebe, ich liebe euch!

wie viele von uns draußen da

haben schiss, zu teilen, was mal ihres wa(r)

gott ich weiß! ich kenn das ja am be-hes-ten,

keine angst, denn ich bin immer für euch da(r)!

wiederholung,

wiederholung,

wiederholung,
wiederholung,

versprechen,

versprechen,

versprechen,

versprechen –

in der dunklen stunde bin ich für euch da,

ich bin für euch da,

ich bin für euch da!

in der dunklen stunde bin ich für euch da,

ich bin für euch da,

ich bin für euch da!

  1. [1] weil sich hier selbst unter zuhilfename neuer pr-berater kein reim auftreiben ließ, pflegen wir diese stelle mit einem lauten tusch zu überspielen.

Maren Kames — MAREN KAMES - geboren 1984 in Überlingen am Bodensee, studierte Kulturwissenschaften, Philosophie und Theaterwissenschaft in Tübingen und Leipzig sowie am Institut für Literarisches Schreiben in Hildesheim. Ihr Debüt HALB TAUBE HALB PFAU wurde mit dem Düsseldorfer Poesiedebütpreis, einem Jahresstipendium des Landes Baden-Württemberg und dem Anna Seghers Preis ausgezeichnet. 2017 erhielt sie außerdem den Kranichsteiner Literaturförderpreis. Sie lebt als freie Autorin in Berlin und übersetzt die Theaterstücke und Essays von Sivan Ben Yishai aus dem Englischen.