Sie werden sich noch wundern, was da alles geht (Und da geht so einiges)

14. Februar 2018 — Demokratisierung

Jetzt tritt ein Mensch auf. Bist du dir da sicher? Nein, ein Wolf. Nein. Sie werden sich noch wundern, was da alles geht, singt er, dieser unser Wolfsmensch, mit kreideweicher Stimme, und da geht so einiges, singt er, weil wir noch nicht überall eingefallen sind, nicht überall, wo wir hätten einfallen können, nicht in alle Körper und nicht in alle Länder, nicht in alle Geschichten, nicht in die ganze Geschichte, haben noch nicht alles vermessen oder ausgemessen, mit unseren Körpern, die über die anderen Körper, die unwerten, mühelos hinwegsteigen, nein, trampeln, nein, die über sie hinwegwalzen. Das Land muss schließlich bestellt werden, damit darauf was Neues wächst, nein, wuchert. Ein neues Land zum Beispiel für diese Regierung, die sich in dreihunderttausend PR-Sitzungen mühevoll formiert, nein, formuliert hat. Erst wird das Land bestellt und dann vermessen, dann wird der Platz ausgemessen, der zu viel ist für so wenige, äh, hoppla, umgekehrt, und wenn wir damit fertig sind, vermessen wir das Früher, weil uns noch gar nicht alles eingefallen ist, was uns hätte einfallen können an Planung zur Aus- und Abgrenzung, zur Löschung und zur Tilgung der andren, zur Tilgung unsrer Schuld, damit wirs uns auch weiterhin in unsrer Opferrolle gemütlich machen können, richtig heimelig, für alle Zeit in Ewigkeit. Und dann vermessen wir den Tod. Was ist das? Das ist die sogenannte neue Zeit. In Ordnung, ja, und was ist das? Das ist eine Schar Spartanerkrieger. Aha, und was ist das? Das ist deren Ministerfreund. Und was ist das? Das ist der Küsserkönig Gottfried. Ja, aha, und was ist das, ist das ein Tier, das doch noch nicht den Wald verließ? Nein, das ist der Weiße Wolf, der ist ganz autonom. Und national sozial. Ja, vielen Dank, Wolf.

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Sie werden sich noch wundern, was da alles wolft. — Freundliche Mitte

Und wer ist das? Na, das ist doch der Kreidewolf, das Wölkchen steht ihm noch ums Maul, das steht so dicht wie das Schattenkabinett in seinem Rücken, die Paintballpumpguns im Anschlag. Und die mittelmeerverteidigenden Charterseegelboote? Ja, die auch, die natürlich auch. Weil immer wer reinkommt, nein, reinwill, in dieses wunderschöne Land hier, nicht wahr, naja, also, eigentlich dort, weiter weg, wo das Österreichlein noch nicht im Urlaub war, ja, vielen Dank, das klärt so einiges, das erklärt so einiges. Ja, wenn ich immer alle treffen könnte, die ich aus dem Urlaub kenne, käme ich ja aus dem Treffen gar nicht mehr heraus. Ja, wenn ich immer alle treffen wollte, die ich aus dem Urlaub treffen könnte, ja, da käme ich ja aus dem Wollen gar nicht mehr heraus. Ja, wenn ich immer alle treffen müsste, die ich nicht einmal im Urlaub treffen könnte, ja, dann hätte ich zumindest Todesängste, die ich ohnehin schon habe: Angst vor Überflutung Überfremdung Angst vorm Großen Austausch. Knie an den Körper geklappt und die Grenzen hoch.

Gibt es das noch, das sogenannte Draußen? Keine Ahnung.

Und wenn da noch einer ankommt, wenn da einer anschwimmt, kann man immer noch abschieben, oder abbrennen, oder ihnen etwas abtrennen, zur Mahnung für das, was da sonst noch reinwill und das ist bestimmt so einiges, das sind bestimmt so einige, die sich nicht einfach zurückschicken lassen oder auf einer Insel festhalten. Na gut. Die, die nicht abgehalten werden können, stellen wir eben an den Außengrenzen dieser unsrer Städte ab, wenn die Ländergrenzen schon nicht herhalten dürfen, konzentriert. Sicher ist sicher. Menschen so zusammenpferchen, dass sich das Problem von selbst erledigt. Das war ja einfach. Zusammenpferchen und dann nicht mehr rauslassen – aber bei einem österreichischen Kuraufenthalt klappt man ja schließlich auch Schlag 22 Uhr die integrierten Bürgersteige hoch, ohne dabei gegen die Menschenrechte zu verstoßen, also, wo ist das Problem? Und wer sich dann als ganz besonders widerstandsfähig erweist, nicht widerständig allerdings, der Unterschied, der läge ihnen schon am Herzen, wer alle Prüfungen bestanden hat, durch die er hätte fallen müssen und also integriert werden will und muss, der muss dann immer noch versuchen, hier durch Leistung aufzufallen, immerhin, die man zu erbringen hat, irgendwie halt, wie, das wisse man hier leider auch nicht, und wie das gehn soll, das wisse man noch weniger, aber schließlich müsse man hier auch nichts mehr beweisen, man wäre immerhin ja schon gewählt.

Wir nehmen jetzt wieder den Bildband zur Hand, dieses Hochglanzbilderbuch mit den schönen Wörtern, dieses Programm um dieser Regierung bitte jetzt ein neues Land zu schenken, eines, in dem kein widerständiger Geist sich regt, nein, in dem sich keiner regen kann. Und keine Körper? Ja, die ohnehin nicht, und wenn doch, kann man da ordentlich zupacken, da kann man ordentlich zutreten und zukleben, zukleben und zutreten und ersticken lassen, obwohl natürlich alles Einzelfälle, obwohl das alles Einzelfälle waren. Und bei in Gruppen auftretendem Widerstand gegen die Staatsgewalt, besonders wenn er winterlich vermummt ist, von der Brauchtumspflege einmal abgesehn, da kann man immer noch ordentlich abstrafen, oder abmahnen, da kann man immer noch ordentlich draufhaun oder Schauprozesse veranstalten und Exempel statuiern, damit sich die Versammlungsfreiheit dann von ganz alleine einschränkt. Das war ja einfach.

Denn das, liebe Freunde macht den großen Unterschied: Wir sind jetzt die Mehrheit.


Gerhild Steinbuch — geboren 1983 in Mödling (Österreich), lebt in Berlin. Studium Szenisches Schreiben in Graz und Dramaturgie an der HfS Ernst Busch, Berlin. Arbeitet sowohl allein an Essays, Prosa und Theatertexten als auch im Kollektiv Freundliche Mitte, sowie als freie Dramaturgin.