Hello again.
Sagt Hydra.
Hello zum letzten, zum allerallerletzten Mal.
Ich war gescheit, sagt Hydra, für eine Weile war ich gescheiter als die meisten im Kunstbetrieb, doch, je gescheiter ich mich fühlte, desto mehr war ich gescheitert.
Ich wollte, sagt Hydra, den Rechtsruck in die Mitte des Kunstbetriebs hieven, damit alle über ihn reden und sich Gedanken machen, was er für den Kunstbetrieb heißt.
Ich wollte, sagt Hydra, die sogenannte Solidarität in die Mitte des Kunstbetriebs hieven, damit alle nicht nur über sie reden, sondern sich Gedanken machen, was sie für den Kunstbetrieb heißt.
Ich wollte und wollte und wollte so viel, sagt Hydra, keucht Hydra, ächzt, schluchzt, heult Hydra.
Naja, fällt sich Hydra da mit einem Taschentuch ins Wort, das Heulen hat noch nie geholfen. Und macht weiter Klimmzüge gegen den Sozialabbau.
Hydra sagt: Je mehr Scheitern desto mehr Training.
Hydra sagt: Je mehr Training desto weniger Tränen.
Denn mein Heulen, sagt Hydra, das verzweifelte Heulen wurde nicht gehört, und als es gehört wurde, wurde es nur als wütendes Rumheulen der links-linken Künstler (ohne *innen) gebrandmarkt, ja, diese meine Selbstgerechtigkeit, sagt Hydra.
Wenn ein Medium, sagt Hydra, das mal im Namen der Demokratisierung antrat, nennen wir es mal: Machtkritik, eine ihrer Kritiker*innen, sagen wir mal, sie heißt Michaela Werwolf, auf mich loslässt, und wenn diese mein Heulen nur als unnötig-schuldkomplexbeladene hohle Geste lesen kann, meine Solidarität nur als zwiespältige (nicht: vielköpfige), mein Vater-Unser (namens NAZIS RAUS!) nur als moralische Geste, und wenn sie die Zähne fletscht und den silbernen Mond anheult, was dann?
Ja, und?, flucht Hydra, während sie weiter Klimmzüge macht und für Gesten keine Arme frei hat.
Ja, und?, denkt Hydra, aber vermag es schon nicht mehr zu sagen und vermag nicht, die eigenen Zähne zu fletschen, weil die Kälte schon wieder so groß geworden ist, dass ihre Zähne nur klappern.
Ja, und?, platzt Hydra heraus, dann bin ich halt moralisch, wieso sollte ich auch KEIN Gewissen besitzen?
Doch kein Gewissen, sagt Hydra, wär besser, denn dann, denkt Hydra, könnte ich in meinem zweiten Leben noch Theatermagazin werden, ein Magazin, das ohne Hemmungen einen Rechtsextremen und Parteipolitiker zu einem gestellten Streitgespräch einlädt, in dem dieser als Philosoph inszenierte extreme Rechte nichts anderes macht als das Opfer zu performen.
Na, Moment, der extreme Rechte stellt auch den Rechtsstaat in Frage, er deutet an, dass Gewalt gegen Künstler grundsätzlich überlegenswert ist, dass Gewalt insgesamt eine Frage der Auslegung und des Blickwinkels ist, also so einfach ist das nicht mit dem Opfer.
Michaela Werwolf läuft durch Berlin und möchte auch eine ganz besonders spezielle individuelle, interessante Meinung vertreten, aber ihr Ausflug auf die Metaebene endet auf dem reaktionären Plateau. Schade, Michaela Werwolf, denkt sich Hydra. Wieder eine auf dem Weg nach oben nur gegen die eigene Decke geknallt.
Ich bin gescheitert, denkt Hydra, denn ich wollte den Diskurs über die Verrechtsung der Gesellschaft in die Mitte rücken, doch wurde ich dabei gelinkt, und stattdessen ist der Rechtsruck in der Mitte, bei den schein-linksliberalen Medien angekommen, und mein Foto steht nun ein paar Seiten neben dem Foto dieses Rechtsextremen, der von meiner Auslöschung träumt.
Scheitern als Scheitern oder Scheitern als Chance? Als Chance worauf?
Ist das jetzt Hydra looking at Nazis looking at Hydra?
Oder Nazis looking at Hydra looking at Nazis?
WHAT THE FUCK?
Und die Verrechtsung geht weiter. So weit, das hätt ich gar nicht. So weit wollt ich gar nie denken müssen. Nicht in dieser Zeit.
Diesem Theater DERZEIT.
Im Theater derzeit, da sind die Radikalen ja lang schon die scheinbar Normalen. Erscheinen lang schon ganz normal im Autor*innenverzeichnis der Zeit, meiner Gegenwart, fuck!
Braucht nicht mal mehr eine Fußnote. Kein Verweis mehr, nirgends, auf die EINSCHLÄGIGKEIT dieses Radikalnormalisierten.
Insert Zeitzeugnis der Unverschämtheit here:
(Jungenspicture, Jongenspicture)
WHAT THE FUCK?
Lang schon ein prekäres Nebeneinander von Autor*innenmeinungen.
Die Menschen lieben die Diktatur, denkt sich Hydra. Vor allem die Menschen im Theater derzeit. Die haben die Diktatur ja andauernd am eigenen Leib -
Hydra schießt dagegen und erinnert sich: Alle performen aneinander vorbei! Alle inszenieren sich selbst! Alles ist nur noch inszeniert!
„He, alles doch im Rahmen des Demokratischen, jetzt ziert euch nicht so“, schreit uns die Radikalnormalisierungsredaktion da quasi entgegen. Oder der Logarithmus, der da automatisch wieder einen Link setzt. Wer hier schon vorkommt, im Magazin bei uns, in der Gegenwart angekommen, der wird auch im Register genannt.
Vielleicht hat die griechische Kultur, die Demokratie, das Theater damals überhaupt nur wegen der Sklaven so gut, ich meine, denkt sich Michaela Werwolf, die immer noch durch Berlin läuft auf der Suche nach einem endlich einmal gelungenen Wortwitz, ich meine, was, wenn es für den Fortschritt die Sklaverei, was, wenn immer nur ein elitärer Teil der Bevölkerung, ich meine, die wahre Demokratie als Saal voller alter, weißer Männer, oder nicht?
Da wird nun mit einem ganz anderen Register vorgegangen.
Der Rechtsradikalismus ist ein radikalnormal verlinkter.
The empathy gap is closing. Counting down.
Die Kapazitäten werden gesprengt in: Counting backwards.
SIEHT DENN KEINER DIESE LINKE TOUR VON RECHTS?
Doch, also die Michaela Werwolf, die hat das schon lange gesehen, die hat auch viel damit geflirtet, die läuft immer noch durch Berlin, Wien und diverse andere Städte, und die hat diese Tour schon lange gesehen und ist ihr freudig hintendreingelaufen, um auch mal eine ganz tolle, ausgefallene, eigene, individuelle Position beziehen zu können. Aber die Michaela Werwolf hats leider auch bisher damit nur bis an die Pforten der Theater gebracht, wo sie jetzt steht und Einlass begehrt. Jetzt lassts die Michi mit ihrem reaktionären Zeug rein, herst.
„Das wird man doch mal sagen dürfen“, sagt da wieder wer mit einem Opfergesicht vom rechten Rand.
Hydra fragt: Welcher Rand?
Und es freut sich riesig, das Opfergesicht vom rechten Rand. Endlich so Seite an Seite mit der „Avantgarde“. Selbst doch lang schon „die Avantgarde“, so lacht es in sich rein, das Oberopferjongensundalldieanderengesicht.
Hier geht’s um keine avantgardistischen Ideen!
Nur eine Meinung, der Rassismus?
Eine Meinung, der Faschismus?
Man muss den halt aushalten - alles muss man aushalten.
Was einen nicht umbringt, was einen nicht umbringt, was einen nicht umbringt, schreit Hydra nach dem Alptraum beim Powernap.
Eure Meinung, Ausreisezentrum?
DER SO GENANNTE ETHNOPLURALISMUS UND DEUTSCHKULTURKONSERVATIVISMUS IST KEINE VORDENKUNGSWEISE. DIE DAHINTER STECKENDE MENSCHENVERACHTUNG IST EINE RÜCKDENKUNGSSCHEISSE.
Das geht so ziemlich an unserer Zeit vorbei und in andere zurück, liebes Theater, DER Zeit.
Hydra fragt: Was hat die Assholung des Kunstbetriebs mit dem Aufbrechen des rechten Rands zu tun und warum sprechen wir nicht mal darüber?
Hydra fragt: Welcher Rand - und warum sprechen wir nicht mal darüber?
Michaela Werwolf an den Pforten der Theater hat leider andere Dinge vor. Die hat andere Fragen. Jetzt lassts die Michi rein, mit ihrem reaktionären Zeug, die sich andauernd fragt, was hat denn das alles mit meiner realen Lebenswelt zu tun und wieso sollen Künstler (und die Künstlerinnen und die Künstler*innen, die man ja leider immer mitnennen muss) andauernd das Grundgesetz verteidigen, wenn der Staat es halt abschaffen will, dann muss es eben weg. (Dann müssen die weg.) Das ist die Ware Innovation.
UND HYDRA WÜRGT DAS LANG SCHON VERDAUT GEGLAUBTE HERAUF.
Weiß denn keiner mehr, wo die Gegenseite?
Auch andere radikalnormalisierte „Meinungen“ der Vergangenheit sind anfangs so Seit-an-Seit mit dem Demokratischen einhergegangen. BIS SIE IN VOLLER WUCHT AUSGESCHERT HABEN, DA HABT IHR DANN DIE BESCHERUNG.
Hydra hat jetzt sage und schreibe 50000 Mal geschrien: Was ist die Befindlichkeit des Landes? Was ist die Befindlichkeit des Landes? Was ist die Befindlichkeit des Landes? Was ist die Befindlichkeit des Landes? Was ist die Befindlichkeit des Landes? Was ist die Befindlichkeit des Landes? […]
Hydra windet sich: Was denn jetzt, Ängst is now a Weltanschauung oder Ängst is not a Weltanschauung? Einfach nur: Ängst?
Hydra flüstert: Was ist die Befindlichkeit der Befindlichkeit?
Und Hydra hängt noch nach, sie denkt noch nach, über Ängst und über die Ware Innovation und Hydra zitiert sich selbst: Was hat die Aushöhlung jeglicher solidarischer Praxis mit dem Aufbrechen des rechten Rands zu tun und warum sprechen wir nicht mal darüber?
Warum sprechen wir nicht mal darüber?
Nach den Chören den Round Tables den Manifesten den Interventionen dem Ausschlussverfahren den Integrationsbemühungen den Kollektivfehlschlüssen den Handlungsanweisungen den PartyPartyPartizipationen den Konfliktlandvermessungen den Kulturkonzeptsprengungsversuchen den Fazitausnüchterungen den Streitgesprächförderkriterien den Rundmailendlosschleifen den Auszeiten den Burnouts nach dem Abschreiten der Diskussionsfelder. Sich an den Ecken der runden Tische blutig stoßen, während Aussage gegen Aussage steht und fällt und wir beginnen Sätze zu sagen wie: [ BEEP BEEEP BEEP BEEP BEEEEEEEEEEP ]
Hydra kurz dazwischen: Wir wollten auch nochmal ein kurzes Panel wegen der Bezahlung aufmachen, oder?
Andere Hydra: Achso ja, übers Geld haben wir ja noch immer nicht gesprochen.
Verschnupfte Hydra: Wir sprechen andauernd über alles mögliche, nur nie über die Bezahlung.
Kopfwehhydra: Ja wegen dem Honorar wärs gewesen für diese Arbeit hier, diese, weißt schon, Orgasachen und so. Stapelt sich ja.
Andere Hydras zustimmend: Jajaja, Orgasachen und so. Stapelt sich ja. Jajaja.
Verschnupfte Hydra: Also, was hat denn der Neoliberalismus mit all dem zu tun und warum sprechen wir nicht erst einmal darüber?
Kopfwehhydra: Ja!
(Und es zischelt ganz leise im rauschenden Bach, klipp klapp, klipp klapp, klipp klapp)
Na, das war ja höchste Zeit, echt!
Let's Talk About The Beginnings.
Und das ist heute hier ein Abgang.
Ohne Vorhang, ohne Applaus. Einfach so.
Trocken und nüchtern.
Ein Cut.
Vielleicht muss man wieder viel mehr cutten.
Mehr Einschnitte in die normalisierten Kontinuitäten.
Damit die Brüche härter.
Damit klarer: hier geht’s nicht um einen „möglichst interessanten, lebendigen Diskurs“.
Ist das jetzt der Anfang oder das Ende der Gesten? Und welcher Gesten? Der ganz ganz großen? Der ganz subtilen? Oder einfach: Mic drop. Wie jetzt: Mic drop? A mic drop is the gesture of intentionally dropping one's microphone at the end of a performance (or speech) to signal triumph – it indicates a boastful attitude toward one's own performance.
Echt jetzt? Echt jetzt.
Sag zum Abschied leise Servus, singt Hydra.
Ich bin gescheitert, schreit Hydra.
Danke für nichts, flüstert Hydra.
Thank you, next, summt Hydra.
Hydra sagt: Ich bin (immer noch) viele.
Hydra sagt: Achtung: Dieses Wort hier verändert (immer noch) die Wirklichkeit.
Und dann verschwand die Hydra. Und hinterließ nichts. Nur Spuren im Sand, die Welle für Welle verschwanden. Und die Welt machte weiter und der Klimawandel machte weiter und der CO2-Ausstoß machte weiter und die Märkte machten weiter und die Zahnpastawerbung machte weiter und die Netflixdokus machten weiter und die Gewinnmargen machten weiter und die Politiker machten weiter und die Staaten machten weiter und die Neonazis machten weiter und das Geld machte weiter und die Literatur machte weiter und die Theater machten weiter und das Internet machte weiter und die Tastaturen machten weiter und die Geschichten machten weiter und die Waffenexporte machten weiter und die internationalen Handelsnetzwerke machten weiter und die internationalen Wohnraumspekulationen machten weiter und die Senatoren machten weiter und die Kulturbetriebsangestellten machten weiter und Hydra verschwand. Und hinterließ nichts. Nur Spuren im Sand, die Welle für Welle verschwanden.
Und es haben sich Kinder erzählt in der Pause am Schulhof im Frühling von dem vielköpfigen Wesen tief im Berg, das Rechtsradikale zum Frühstück vernascht.
UND HYDRA FÜR IMMER AUS DEM OFF: Wo es Macht gibt, gibt es Widerstand.
HydraEcho aus dem Off: Vorschlag einer Form: Jede*r kann dann einfach – wo auch immer – Punkte hinzufügen, Beobachtungen einfügen, so, dass das ein offenes Manifest wird, Collagen, Thesen, die man anschlagen kann. We will talk it over.
Or: Someone, please take over.
Someone, please take over.
Someone, please take over.
Someone, please take over.
Hydra over and out.